Wir leben in einer Zeit, in der sich gegenseitiges Unverständnis, Vorurteile und Feindseligkeit zwischen den Religionen und Kulturen immer weiter zuspitzen. Von manchen Politikern und religiösen Führern wird ein „Kampf der Kulturen“ beschworen, und unter vielen Gläubigen breitet sich Angst aus vor dem als Bedrohung empfundenen Anderssein der fremden Religion. Aus dieser Angst entstehen hier und da auch Gefühle des Hasses und der Aggressivität. Manchen politischen Machthabern scheinen solche Gefühle gut ins Konzept zu passen, denn sie helfen dabei, bei den einfachen Menschen Feindbilder akzeptabel zu machen.
So wird vor allem eine Hysterie der Angst vor dem Islam geschürt. Die friedliche Religion des Islam wird mit dem gewaltbereiten islamistischen Fundamentalismus gleichgesetzt und pauschal verantwortlich gemacht für den gesamten internationalen Terrorismus. Durch geduldete Provokationen - wie etwa Verunglimpfungen des Propheten Mohammed - wird absichtsvoll Öl ins Feuer der um sich greifenden Feindschaft gegossen. Die Verletzung der religiösen Gefühle von Muslimen und die Diskreditierung muslimischer Mitbürger auf vielfältigste Art ist zu einer alltäglichen Erscheinung geworden.
Ich betrachte das mit großer Sorge, und ich frage mich:
- Wie kann es sein, daß Menschen, die sich aus ihrem Glauben heraus zur jesuanischen Botschaft des Friedens und der Gewaltlosigkeit, der bedingungslosen Liebe und Annahme des Nächsten bekennen, diese unheilvolle Entwicklung widerspruchslos geschehen lassen und sogar mit unterstützen?
- Wie kann es sein, daß in manchen christlichen Gemeinden und von manchen (sonst als seriös geltenden) Theologen eine offen islamfeindliche Grundhaltung gepflegt und Angst verbreitet wird vor einer angeblich drohenden Vernichtung des Christentums durch den Islam?
- Wie kann es sein, daß Menschen es wagen, in einem christlichen Internetauftritt den Islam als eine „kranke und gefährliche Pseudoreligion“ zu bezeichnen und damit Millionen von Muslimen zutiefst beleidigen, indem sie deren Heiligstes auf schlimmste Weise beschimpfen?
Schädigt solches Verhalten nicht erheblich das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der christlichen Religion?
Dem Argument, die andere Seite sei es doch, die den Haß säe, und von der anderen Seite gehe doch die Verschärfung des Zwiespalts aus, sei die christliche Grundüberzeugung entgegengehalten, daß Böses nicht mit Bösem beantwortet werden soll, und daß der Gegner beschämt wird, wenn man ihm Gutes tut. Nur so kann er erfahren, was christliche Vergebung bedeutet. Was hat kleinliche Vergeltungssucht gemein mit der Größe der christlichen Kraft, die aus dem Glauben erwächst?
Ich meine, wir haben aus unserer deutschen Geschichte unter anderem auch zu lernen, daß die Diskriminierung und Verfolgung von Andersdenkenden und Andersglaubenden zu furchtbaren Auswüchsen führen kann. Wenn wir Christen nicht rechtzeitig aufwachen und die Gefahr erkennen, wird es irgendwann zu spät sein. In dieser Zeit, da die Möglichkeit vorhanden ist, unsere Erde mehrfach zu vernichten, kann es für ein authentisches, der Bergpredigt verpflichtetes Christentum entweder nur ein friedensförderndes Handeln geben oder aber die Mitschuld an einem dritten Weltkrieg.
Deshalb möchte ich allen Menschen christlichen Glaubens zurufen:
- Laßt uns gemeinsam das Gebot der Stunde erkennen und laßt uns Frieden und Verständigung suchen mit den Gläubigen aller Religionen!
- Dabei wollen wir das Unterschiedliche und Trennende zwischen uns und den anderen über das Gemeinsame und Verbindende setzen.
- Wir wollen bedenken, daß nur dann, wenn Vergebung und Versöhnung statt Fanatisierung und Verfeindung zwischen den Religionen erreicht wird, Dialog möglich ist, und daß es ohne Dialog zwischen den Religionen keine Zukunft für die Menschheit gibt.
- Wir wollen uns keine Angst machen lassen vor denen, die einen anderen Glauben haben, sondern wir wollen sie nach ihrem Glauben und ihren Ängsten fragen, um sie zu verstehen. Nur so lassen sich Brücken bauen und Ängste auf beiden Seiten mindern.
- Wir wollen unsere Glaubenswidersprüche nicht länger in lieblosem und selbstgerechtem Streit über die "alleinige Wahrheit" vertiefen, sondern wir wollen den fremden Glauben so respektieren lernen, wie wir wollen, daß man unseren respektiert.
- Wir wollen uns eines gesunden Maßes an Demut und Ehrfurcht vor den religiösen Gefühlen und dem Erfahrungswissen der anderen befleißigen.
Nur so werden wir unserem Glauben gerecht.
Nur so werden die Angehörigen anderer Religionen uns achten statt fürchten.
Nur so wird Frieden möglich werden.
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