Freitag, 8. Mai 2009

Ursachen und Folgen religiöser Intoleranz

Intoleranz auf religiösem Gebiet hat es immer gegeben. Sie hat viele verschiedenartige Wurzeln – anthropologische, ethnische, historische, soziologische, religionspsychologische. Vor allem sind es meines Erachtens diese vier:

1. Der gemeinsame Glaube bringt ein „Wir“-Gefühl hervor, das Einheit schafft und damit Schutz und Geborgenheit erzeugt in der Gemeinschaft und in einer (meist langen) gemeinsamen Tradition. Damit es aber ein „Wir“-Gefühl geben kann, braucht es die Existenz solcher, die nicht „wir“ sind, „die anderen“ also, die Andersglaubenden.

2. Der gemeinsame Glaube stabilisiert das soziale und oft auch das nationale Selbstwertgefühl, weil man sich als Gruppe oder Volk im Besitz der Wahrheit wähnt, über welche „die anderen“ nicht verfügen. Durch die Abwertung „der anderen“ erhöht sich also der eigene Wert, die eigene Autorität. Deshalb reagieren vor allem Gemeinschaften, die bedroht sind oder sich bedroht fühlen, besonders intolerant: Je größer die (meist nicht eingestandenen) eigenen Defizite sind, desto stärker wird die Tendenz zur kompromißlosen Rechthaberei.

3. Der gemeinsame Glaube bildet eine Grundlage für die Aggressionsableitung gegenüber den Andersgläubigen, die in die Rolle des „Sündenbocks“ gedrängt werden, auf den sich negative Energien ohne Schuldgefühl entladen können. Andersgläubige werden dann sehr schnell als Ungläubige wahrgenommen, als Irrende, die entweder missioniert oder – ihrer eventuellen „Gefährlichkeit“ wegen – auch bekämpft werden müssen, und zwar geistig oder schlimmstenfalls sogar physisch – im Namen „Gottes“.

4. Der gemeinsame Glaube verkörpert für die Gläubigen die Wahrheit, denn er allein ist nach ihrem Verständnis direkt von Gott. Folglich müssen alle anderen religiösen Vorstellungen falsch sein, denn – so meint man – der eigene Absolutheitsanspruch schließt die Möglichkeit der Wahrheitsansprüche anderer Religionen aus.

Die Folge der religiösen Intoleranz ist beispielsweise innerhalb des Christentums unter anderem eine fortwährende Bekehrungs- und Evangelisationsbemühung, die darauf abzielt, Andersgläubige von „der Wahrheit“ zu überzeugen.

Auf dem Boden der religiösen Intoleranz kann aber auch, wie man vor allem bei bestimmten evangelikalen Gruppen in den USA und am radikalen Islamismus beobachten kann, leicht die Saat eines militanten pseudoreligiösen Fanatismus aufgehen, den die Politik, wie wir nahezu täglich beobachten können, nur allzu bereitwillig für ihre Ziele ausnutzt. Zwar liegt im Wesen jeder Art von Fundamentalismus der Mangel an geistiger Offenheit und Lebendigkeit sowie das Erstarrtsein in „Wahrheiten“, die nicht mehr hinterfragt werden (dürfen). Aber jene extreme Ausprägung des Fundamentalismus, der massiv gegen Andersgläubige hetzt und sie verfolgt, geht nach meinem Verständnis noch einen Schritt weiter: Er sieht in ihnen nicht nur Irrende, die auf den rechten Weg geführt werden müssen, sondern Feinde Gottes, Werkzeuge Satans, gegen die ihm der erbarmungslose Kampf – sogar bis zur Tötung – gerechtfertigt erscheint. Unter anderem auch damit ließe sich meines Erachtens ein wesentlicher Aspekt des Terrors islamistischer „Gotteskrieger“ gegen den „ungläubigen Westen“ erklären.

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